Heute gibts Wolken und wohl auch leicht Regen. Zudem merke ich die Aktivitäten der letzten beiden Tage in meinen Knochen. Dann also etwas ruhiger heute. Das Wetter hat auch Auswirkungen auf die allgemeine Stimmung. Alle wirken ein wenig ernster als die letzten Tage. Eigentlich logisch, verblüfft mich trotzdem, weils mir sonst nicht auffällt. Anyway.. mein Frühstück ist gut wie stets und ich erlaube mir noch ein kleines zweites Take-Away-Frühstück.

Frühstück mit meinem Zweiradbegleiter

Mein Tagesprogramm startet heute beim Kolosseum. Genau so groß wie der Petersdom, nur rund und oben offen. Früh sind hier auch noch kaum Leute. Ich drehe eine Runde und überlege wie viele Menschen hier den wilden Tieren und Gladiatoren zum Opfer gefallen sein müssen. Irgendwie barbarisch aber auch berauschend, wenn ich mir vorstelle, wie das gewesen sein muss, hier mit fünfzigtausend anderen Besuchern realistisch nachempfundene Wasserschlachten oder auch nur zum ersten Mal einen Elefanten zu sehen. Die Leute hatten ja noch kein Zoo oder Kino, insofern war das ein außergewöhnliches Spektakel.

Kolosseum

Nach meiner Runde lausche ich einer schwäbischen Führerin um noch etwas mehr Input aufzuschnappen. Die Eröffnungsspiele dauerten wohl 100 Tage lang und am letzten muss es sowas wie ne Konfetti-Lotterie gegeben haben. Wer das richtige Los erwischte, konnte ein Pferd oder einen Sklaven gewinnen. Sowas gibt’s im Kino auch nicht. Dass es Obelix war, der die Außenfassade zerstört hat, wissen die hier übrigens nicht. Komisch, wo die doch sonst alles so gut recherchiert haben :)

Regen. Das Wetter hält, was es versprochen hat. Naja.. ein paar Tropfen halten mich nicht von meiner Tour ab. Aber die Selfiestickverkäufer versetzt das in Aufregung. Wie auf Kommando laufen die plötzlich auf den Platz als wäre jemand hinter ihnen her. Dann fällt mir auf, dass sie die Sticks und Powerbanks kurzfristig in Schirme und Ponchos getauscht haben. Die sind gut organisiert! Und zwar alle der rund 20 Verkäufer allein hier am Kolosseum.

Regen am Kolosseum

Direkt neben dem Rund liegt der Palatin. Einer der sieben Gründungshügel und davon auch noch der älteste. Schön grün hier. Zwischen Pinien steigen immer wieder riesige Mauern auf. Noch ein Stadium. Pferdewettkämpfe müssen damals so wichtig wie Fussball heute gewesen sein. Ringsum alte Paläste und Verwaltungsbauten. Römische Giganterie. Aber das ist nicht der Uraltteil, eher so die Zeit, wo auch die anderen Großbauten entstanden.

Plötzlich zucken Blitze über den Himmel. Das muss jetzt nicht unbedingt sein. Wenig Deckung hier oben. Es regnet kurz und heftig, dann beruhigt es sich wieder. Mit etwa 30 anderen habe ich Schutz unter einem alten Gewölbe gefunden. Viele davon französische Schüler. Gibt eh viele Schulklassen hier. Wirken gut erzogen. Fühle mich bisschen an meine Jugend erinnert, da war ich auch viel in Jugendgruppen unterwegs. Der französische Lehrer erklärt “Il ne pleut pas forte” und so setzt sich die Gruppe wieder in Bewegung. Mir erscheint das allerdings zu optimistisch. Vielleicht bin ich aber auch einfach dankbar für die Pause.

Regen am Palatin

Dann gehts zum Romulus. Bei Ausgrabungen auf dem Palatin hat man an einer Stelle zwei Hütten gefunden, die räumlich so liegen, dass man vermutet, dass er dort gewohnt haben muss. Ok, Archäologie ist jetzt keine exakte Wissenschaft, aber im Grunde gibt es außer den Hütten keine sonstigen Belege, was im Grunde heißt, er könnte auch woanders hier in der Gegend gewohnt haben. Egal.. spielt am Ende auch keine Rolle. Das war immerhin ja schon 753 BC. Remus, der Bruder, hat übrigens keine Hütte. Brauchte er auch nicht, er wurde von Romulus erschlagen, weil dieser sich über die neu gegründete Stadt lustig machte. Schöne Familienverhältnisse.

Am Forum Romanum angekommen, hat man einen kolossalen Blick auf die Stadt. Hier liegen, weitestgehend in Trümmern, die ältesten Teile der Stadt. Alles, was das römische Reich später ausmachte, fand hier seinen Ursprung. Und für über 1000 Jahre war es das wesentliche Zentrum der Stadt. Hier kann also jeder Stein seine eigene Geschichte erzählen und so viele Namen kann sich niemand merken. Auf jeden Fall hat praktisch jeder Herrscher immer wieder Dinge angebaut oder umgewidmet, wodurch letztlich das gesamte antike Rom entstand. Rom wurde also tatsächlich nicht an einem Tag erbaut.

Forum Romanum

Der Regen ist zurück. Ich stehe unter einem Baum halbwegs trocken und esse Kekse. Möwen kreisen und betteln um Futter. Bei mir haben sie da wenig Glück, hab mir extra die bretonischen Kekse gegönnt und von Zuhause mit nach Italien gebracht. Aber irgendwer füttert ja immer.

Die Regenpausen verlängern meinen Aufenthalt nun doch merklich. Hunger! Also suche ich, nachdem ich alle möglichen Trümmer ausreichend beäugt habe, direkt etwas zu essen und finde ein kleines Steakhouse mit hunderten von Schildern an der Decke: Alfa Romeo, Martini, Peroni, Route 66, Coca Cola, etc. Dazwischen alle Arten von Musikinstrumenten. In den Ecken der Wand hängt je einer der Blues Brothes als Skulptur in Lebensgröße. Ein Schild informiert, dass Ray Charles am Saturday Night im Cotton Club live zu sehen ist. Im Gewölbe fliegt ein großes Modellflugzeug und im Hintergrund läuft gerade Abba im Fernsehen. Die Speisekarte hat Abbildungen in Pin-Up-Style. Das hier scheint echt ein gemütliches Bar-Kleinod zu sein und ich begrüße meine gute Wahl :)

Dekoration im “La Base”

Ich esse Fiamminga di carne. Dabei erhält man quasi Primi, Secondi Piatti und Salat in einer unverschämt großen Auflaufform. Sieht lecker aus, ist aber auch unglaublich viel. Dazu Brot, allein davon würde ich satt werden. Aber ich habe die Hoffnung, dass das Wetter sich bessert, wenn ich etwas länger hier bin.

Nach dem Essen bin ich mehr als satt. Jetzt gehts erstmal zurück zum Rad und so langsam gilt es dann auch Abschied zu nehmen. Ich unternehme noch eine kleine Radtour zum Circus Maximus. Heute ist das eher eine Wiese, wo im Sommer Konzerte stattfinden. Früher gabs hier die berühmten Wagenrennen, die man aus Ben Hur kennt. Für mich steht hier der obligatorische Geocache an. Ist leicht zu erreichen und ich kann mich über einen neuen Pin in der Weltkarte freuen.

Circus Maximus

Dann noch kurz hoch zum Orangengarten. Der Hügel fehlt noch. Auch hier blickt man hübsch über die Stadt. Wohl mein letzter Rundumblick auf die Stadt. So langsam muss ich das Bike zurück bringen. Und irgendwie bin ich auch durch.

Orangengarten

Beim Abgeben des Rads durchfließt mich eine interessante Mischung aus Bedauern und Freude den Heimweg nicht schieben zu müssen. Eigentlich aus meiner Krankheit geboren, war es insgesamt eine kluge und sehr Freude spendende Idee ein Fahrrad zu nehmen. Gerade gestern, als es so warm war und ich mich langsam eingegroovt hatte. Es ist wirklich eine tolle Möglichkeit die Stadt zu erkunden. Besser wäre höchstens noch ein E-Bike gewesen. Naja.. dann beim nächsten Mal :)

Aber jetzt freue ich mich die letzten Meter zu Fuß in die Stadt einzutauchen. Hinter dem Kapitol gibt’s eine Spot, wo man das Forum Romanum in bestem Abendlicht sehen kann. Das ist ein schöner letzter Blick auf knapp 2700 Jahre europäische und damit auch meine Geschichte.

Forum Romanum im Abendlicht

Ich hab gelesen, dass viele Steine vom Forum für andere Gebäude genutzt wurden und im 12. Jahrhundert hier Kühe geweidet habe, während das Forum in Trümmern unter Metern von Erde begraben war. Auch als Goethe hier war, war das Forum noch nicht wieder freigelegt.

Die ewige Stadt hat eine Weile gebraucht ihr Erbe wieder auszugraben. Aber sie hat es auch immer verstanden die Errungenschaften der vorherigen Kulturen zu integrieren, egal ob ägyptisch, etruskisch oder griechisch. Und in gewisser Weise haben das spätere Europäer auch nicht anders gemacht. Ist schon interessant, wie sich stets alles ändert, aber im Grunde doch auch gleich bleibt bzw. in neuer Form weiter lebt.

Blick zum Kolosseum

Auf dem Rückweg sehe ich noch ein asiatisches Pärchen. Sie steht im Brautkleid vorm Kolosseum allein auf der Straße und wirkt ziemlich verloren. Daneben steht ein halbes Dutzend Assistenten die gerade versuchen den Schleier fotogerecht herzurichten. Der Bräutigam steht mit Händen in den Hosentaschen da und wirkt genervt. Im Hintergrund geht gerade die Sonne unter. Naja.. immerhin das ist romantisch.

Asiatische Hochzeitsträume