Heute noch etwas eher auf. Bin mit der Erste beim Frühstück, die haben gerade erst geöffnet. Warum die Eile? Ich hab mir vorgenommen dem Papst aufs Dach zu steigen. Bis zum Petersdom brauche ich auch mit dem Fahrrad ne kleine Weile und weil sich recht schnell dort große Menschenmassen bilden, will ich lieber früh dran sein.
Im Internet hatte ich bereits Zuhause ein Angebot mit Audioguide und bevorzugtem Einlass gebucht. In meiner Erinnerung stand da auch was von Kuppeleintritt, aber der kostet wohl nochmal extra. Ich melde mich mit meinem Voucher beim Guide und erhalte einen orangenen Klebepunkt auf die Jacke. Ist ne Fleecejacke, hält hoffentlich, denk ich. Mit dem Punkt darf ich an der wartenden Schlange vorbei. Oh stimmt.. ich hab ja ein Skip-the-Line-Ticket. Die Schlange sind zu diesem Zeitpunkt etwa ein Dutzend Menschen, denke die kommen damit klar. Jetzt muss der Audioguide aber richtig gut sein, damit sich das Geld gelohnt hat.
Den Guide gibt es drinnen. Also folge ich erstmal den Schildern bis sich die Pfeile für “Tickets für Kuppel” und “Audioguide” trennen. Erstmal den Guide, denk ich. Der Stand ist schnell gefunden und über ein offenes WLAN kann man sich die App und dann über einen QR-Code dann den Guide ziehen. Klappt mit Anleitung der Dame am Stand problemlos, außer das beim Download des deutschen Guides immer Netzwerkfehler kommt. Nach dem dritten Versuch nehme ich den englischen, der geht sofort. Ahja.. nagut, versteht man ja auch und irgendwie ist das ja auch ne Sprachreise.
Den QR-Code gibts übrigens für alle Träger von orangenen Punkten. Ich habs geschafft meinen Punkt auf den kurzen Weg hierher zu verlieren. Überlege schon, wo ich einen neuen Klebepunkt herbekomme. Aber als Fallback wird dann auch mein Voucher akzeptiert. Ist irgendwie auch nachvollziehbarer eigentlich. Vermutlich geht es hier um Geschwindigkeit, wenn viele Leute kommen. Wobei ich wenig Leute mit orangefarbenen Punkten gesehen habe. Oder vielleicht haben die bei denen auch nicht gehalten. Auf dem Weg nach draußen sehe ich zumindest einige auf dem Boden liegen :)
Ok, dann auf zur Kuppel. Irgendwo stand man soll keine Rucksäcke mitnehmen, aber da mich niemand davon abhält, behalte ich mein Zeug lieber am Mann. Der Eingang geht direkt rechts nebem dem Dom weg und zumindest hier lohnt es sich auf jeden Fall so früh dran zu sein. Es sind nur knapp zehn Leute an der Kasse. Man darf wählen zwischen Lift und Treppe, wobei das nur das erste Stück betrifft. Ich gönne mir den ganzen Spaß und spare mir den Lift. Kurz überlege ich, ob das clever war, wegen der noch nicht so guten Kondition, aber ich hatte gelesen, dass der eigentlich anstrengende Teil ohnehin der zweite ist, wo alle durch müssen.
So ist es auch. Während es zunächst nur stupide im Kreis umher ging, zwängt man sich nun zunehmend durch eng gezogene und dazu auch noch geneigte Gänge die kaum mehr als schulterbreit sind. Dazu gibts motivierende Schilder wie “nur noch 165 Stufen”. Es ist eng, steil und schweißtreibend, aber ich halte mich ganz gut. Andere sind noch langsamer. Da es ein One-Way ist, kann auch niemand anhalten oder gar umdrehen. So fließt das menschliche Förderband unaufhörlich bis ganz nach oben.
Oben entschädigt dann ein herrlicher Blick auf den Petersplatz. Dazu kann man nicht viel sagen. Wenn ihr in der Nähe seid, macht das! In der anderen Richtung sieht man zudem die Vatikanischen Gärten. Lange hält man es oben übrigens nicht aus, da auch hier sehr viel Enge herrscht. Im selben Modus geht es dann wieder hinab und man landet direkt im Dom.
Der Dom ist gewaltig. 180 Meter lang, riesig hoch und vollständig mit Marmor verkleidet. Da es die längste Kirche ist, gibt es in der Mitte auf dem Boden so kleine Sterne, die die Länge anderer Kirchen angeben. Nette Idee.
Ansonsten muss hier schon deshalb alles so groß sein, damit täglich 20.000 Leute durchmarschieren können. Ohne Unterlass sehe ich Teleskopstäbe mit irgendwelchen Fahnen dran. Dahinter jeweils eine ethnisch recht homogene Gruppe mit grünen Kopfhörern, die dem Fahnenträger folgen. Neben den hier üblichen Sprachen sehe ich auch koreanische, russische und deutsche Guides.
Über den Audioguide versuche ich selbst einiges herauszufinden, aber es gibt hier so viel Input, dass ich abschalte und es lieber so auf mich wirken lasse. Vor allem der Marmor ist sehr beeindruckend, weil er in feinen Intarsienarbeiten den ganzen Boden überdeckt. In der Form ist mir das einzigartig. Ansonsten ist die Größe beachtlich, gerade weil durch die Fenster Lichtstrahlen bis auf den Boden gezogen werden. Hier kriegt man was für sein Geld. Ah, wait.. der Dom selbst kostet gar keinen Eintritt. Nur die Kuppel und wenig hilfreiche Audioguides :)
Hunger meldet sich. Zudem gibt es noch ein zweites Date heute. Also wieder an die frische Luft und dann einmal außen rum ans andere Ende des Vatikans. Dort liegt das vatikanische Museum, bzw. dessen Eingang. Die Hauptattraktion, die Sixtinische Kapelle, liegt nämlich genau neben dem Dom. Im Grunde könnte man da durch gehen, aber so folgt man halt dem Weg raus und einmal komplett an der Außenmauer entlang, was leicht ne halbe Stunde dauern kann.
Ich esse unterwegs, sonst wird es knapp mit der Zielzeit. Alle Voucher haben hier Zeitangaben, an die man sich halten muss, sonst gibts kein Skip-the-Line mehr. In diesem Fall ist es wirklich nützlich. Ich kann dank Reservierung an mindestens hundert Wartenden vorbeigehen. Dabei kostet das nur wenig mehr als das Ticket vor Ort zu kaufen. Ich versteh gar nicht, warum nicht mehr Leute das nutzen. Die Straßenverkäufer ebenfalls nicht, zumindest bieten sie ihre (vermutlich überteuerten) Skip-the-Line-Tickets jedem Passanten lautstark an.
Im Museum gibt es unzählige Skulpturen, Reliefs, Wandteppiche, Gemälde und sonstige Artefakte. Stücke aus Ägypten, Griechenland, dem alten Rom, aber u.a. auch aus Kolumbien. Und Keilschrift hab ich auch gesehen. Es scheint die Päpste sammeln gern. Und offenbar nicht nur Schäfchen. Wobei davon gibt es hier auch sehr, sehr viele.
So lässt sich auch die Sixtinische Kapelle voll genießen. Wenn man denn voll mag :) Ich stehe direkt unter dem berühmte Gemälde, wo Gott Adam den Lebensfunken gibt. Irgendwie lustig, dass mein Room Michelangelo genau das selbe Motiv hat. Aber abgesehen von dem Bild kommt mir die ganze Kapelle seltsam bekannt vor, bis mir klar wird, dass ich den Ort kenne. Hierher hat es mich schon mal bei Assassins Creed verschlagen und ich hab hier einen der Endbosse getötet. Komische Assoziation in diesem Moment. Zumindest war es friedlicher als hier, wo sich energische “Silence” und “No Picture” Rufe abwechseln.
Pause. Im Garten gibts was zur Stärkung und Zeit noch ein paar Dinge nachzulesen. Der Vatikan hat nur ca. 800 Einwohner, darunter keine Analfabeten (einziger Staat weltweit). Es gibt einen Bahnhof und eine eigene Staatsbahn mit immerhin 200 Meter eigener Strecke. Es gibt sogar ne Fussballmannschaft, nur kein Stadium.
Spannend ist auch, dass der Bischof von Rom zwar Papst ist und mehr oder weniger direkt im Petersdom wohnt, seine Bischofskirche liegt jedoch 5km außerhalb des Vatikans.
Dieses ganze Kirchending scheint mir nicht so strikt durchorganisiert zu sein, wie man oft denkt. Vielleicht ist das ein Teil des Geheimnisses, warum so viele Leute sich dahinter versammeln konnten und immer noch können. Hier im Vatikan wirkt es auch nicht so bedrohlich ernst, wie in manch deutscher Kirche. Könnte es sein, dass die “German Angst” das mit der Höllenqualen-Theorie einfach ein wenig übertrieben hat?
Zumindest kann ich bei all der Pracht verstehen warum Luther, der auch hier war, fand, dass es zum reinen Glauben diese Dekadenz nicht braucht. Ist auch schwer zu erklären, warum in der Heimat die Landsleute um ihr Erspartes gebracht werden, nur um hier noch mehr Pracht anzuhäufen. Hat irgendwie was von früher Form von Kapitalismuskritik.
Zurück am Petersplatz. Mehr los als heute morgen, aber die Spitze ist wohl schon durch. Freue mich über meine Zeitplanung. Im Gegenlicht erscheinen die Brunnen besonders schön. Manchmal kommt ein Windstoß und duscht die Umstehenden sanft. Kurz kommt das Gefühl auf, dass ich ne Weile das nicht mehr sehen werde. Lieber noch ein paar Fotos machen :)
Als es langsam Richtung Abend geht, hab ich mich schon wieder aufs Rad geschwungen. In einer der Seitenstraßen finde ich einen Supermarkt und hole mir frisches Obst und was zu Knabbern. Einen kleinen Höhepunkt hab ich heute noch geplant.
Der Hinweg ist leider recht beschwerlich. Da hilft auch das Rad nicht mehr, also vertraue ich es einem Straßenschild an und gehe zu Fuß weiter. Endlich oben auf dem Gianicolo angekommen, entschädigt der Ausblick über die ganze Stadt jedoch jede Strapaze. Ich lehne mich an einen Steinpoller und blicke über die Stadt und die Besucher hier oben und beginne zu essen.
Dann wird es Zeit für den Heimweg. Da ich unweit von Trastevere bin, was sowas wie das Künstlerviertel in Rom ist, entscheide ich mich dort noch einen kleinen Abstecher zu machen. Nette kleine Gassen und Geschäfte. In einem werden Instrumente repariert. Ich bin irgendwie vom Hunger getrieben und lande in einem Laden mit frischer hausgemachter Pasta. Hab ich nicht gerade gegessen?! Egal.. es schmeckt lecker und im Radio läuft hier wohlklingender italienischer Pop und die Bedienung singt leise mit.
Den Rückweg nutze ich dann noch für eine kleine Nachtradtour. Es ist immer noch recht warm und es macht Laune die Gebäude bei Nacht zu sehen, Fotos zu schießen und kleine Verkehrsbeobachtungen zu machen.
In meiner Unterkunft angekommen denke ich, wie schnell man sich doch an Sachen gewöhnt. Erst den Chip anhalten, dann das Fahrrad in Lift hochkant reinstellen, dabei in die Knie gehen, damit man selbst noch mit rein passt, rückwärts aus dem Lift wieder raus, Code eingeben, noch einen Code eingeben und schon bin ich in meiner Ruhestätte angekommen.
Ein toller Tag geht zu Ende und bisher macht mir Rom sehr viel Spaß. Ich habe grandioses Wetter, mein Körper spielt so langsam wieder mit und ich fühle mich sehr gut unterhalten.
Schreibe einen Kommentar